Samstag, 7. März 2020

ABSCHIED

wissen, daß
nicht wissen, warum
wege voraus
blicke zurück
erinnerungen
verlorene hoffnungen
heimweh auf jedem schritt
wehmut im gepäck

vögel ziehen fort
und kommen wieder
einziger wunsch
mit ihnen zu ziehen
der wiederkehr halber

doch
nichts wird, wie es war

überfüllte züge fahren ein
leere bahnsteige
keine roten teppiche
nur träume

© ts 1997

Feierstunde

Am bequemsten für uns sind und waren
und werden wohl auch künftig sein
die toten Dichter -
jene, die nicht mehr können sich
zum Zeitgeschehen entäußern -
jene, die sich feiern lassen
ohne jedes Widerwort,
das uns die Lust am Feiern
könnt' vergällen.

Am bequemsten für uns sind und waren
und werden wohl auch künftig sein
die toten Dichter -
jene, die ihre Zeitgenossen
nicht verstanden -
jene, mit deren Werken wir uns,
ganz Narren gleich,
das Gesicht tief schwarz geschminkt,
gefahrfrei können schmücken.

Am bequemsten für uns sind und waren
und werden wohl auch künftig sein
die toten Dichter -
jene, aus deren Werken wir
allein die süßen Früchte uns erpicken -
jene, deren Seelenqualen
längst gelebt
uns Heutige nicht vermögen mehr
zu schrecken.

Am liebsten sind und waren uns
und werden wohl auch künftig sein
die toten Dichter -
jene, die an uns nicht länger
leiden müssen -
jene, deren Geist längst
Frieden fand,
die uns mit einem letzten Lächeln gar
entwichen:

Vater, vergib ihnen,
denn sie wissen nicht,
was sie tun.

© ts 2020

Ein kunstlos' Lied zum Hölderlinjahr...

Donnerstag, 5. März 2020

Heimat (Yggdrasil II.)

Welch Sehnsucht:
In Freiheit zu leben
in meines Herzens
Mutterland.

Welch Sehnsucht:
Zu pflanzen
in Vaters Boden
jenen Samen.

Und diesen dann
heranwachsen zu sehen
zu einem kräftigen
Stamm -

dessen Wurzeln tief
in die Erde greifen
und dessen Arme
die Sterne umfassen.

@ ts 2020