Mittwoch, 7. August 2019

Rot

Niemand sagte,
Du hättest einen Rosengarten
uns versprochen.

Wie bunt und duftend
doch der Sinnwald
blüht!

Oft ins zarte Fleisch
uns werden stechen noch
die bösen Dornen.

© ts 2003

FREMDER

an einem späten morgen
ging ein fremder
lachend
an mir vorüber

ich neidete ihm
sein lachen

ist es nicht schamlos
sich vor den toren
der hölle
so sehr zu freuen

an einem späten mittag
traf ich ihn wieder
er
immer noch lachend

ich platzte beinahe
vor wut

ist es nicht gottlos
sich unter den augen
des herrn
so sehr zu vergessen

an einem frühen abend
machte ich ihm
samt
seiner lächerlichkeit
einen kurzen prozeß

ist es nicht ruhmreich
sich für das ewig wahre
und rechte
so sehr zu ereifern

in einer dunklen nacht
war es wieder ruhig
in der stadt

kein lachen störte mehr
mein leises wimmern
und weinen
schon gar kein fremder
meine ernsthafte suche
nach glück

© ts 1998

SCHIFFBRUCH

dürstend
wind und wetter
ausgesetzt
haut
sonnenvernarbt
wochenlang
kein land
in sicht
treibgut des lebens

letztes hemd
hilflos
wie eine weiße flagge
gehißt
hin und wieder
kreuzen
große schiffe
horizont
sehnsucht
hafen
versprechend

herzklopfen
jedes mal
schreien
rufen
winken
bekanntlich
zwecklos

haie
belächeln
bereits
lächerlichkeit
nächster sturm
bringt

morsches floß
zum bersten
tierische ungeduld
hat gelernt
zu warten

allein zeit
kann hunger
stillen

© ts 1998

Freitag, 2. August 2019

Herzheidelbergverloren II.

(3. Fassung)

I.

Auf der Terrasse
hochgewölbtem Bogen
war eine Zeit
mein Kommen
und mein Flehen.

Chiffren,
tief in diesen Traum
gewoben -
wer sehen kann,
der bleibt,
um sie zu lesen,
an jeder Straßenecke,
mit kindlich großen
Wunderaugen
stehen.


II.

Alt Heidelberg, Du feine,
in Deines Märchens Bann
gezogen
gibt's für den Wanderer
nicht mehr ein
Weiterziehen.

Mit Zauberhand
Du sanft gebietest,
innezuhalten,
einzukehren
und zu lauschen
Gottes hebend' Liede
fort und für.


III.

Als schlafend' Menschenkind
kam auch ich dereinst
gewandelt
zu Dir.

Und nie
hat Dein Blick
mich noch
getrogen.

Und so sitz' ich heut'
wie alle Zeit,
von Deinem Geist geküßt,
der Heimat nahe -

das Herz verloren zwar
und doch gestillt,
ganz tief gestillt,
von Deiner mütterlichen
Brust.

© ts 2019